Ein heikles Verhältnis
Wir haben gegenwärtig vielleicht gerade keine besondere Blütezeit für evangelische Literatur. Gestern erhielt ich das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel mit seiner Sonderausgabe für die Frankfurter Buchmesse im Oktober. In der Sparte Religion findet man darin kaum noch Bücher aus evangelischen Verlagen. Allerdings fällt ein Rückgang des Mediums Buch ganz generell auf: Während die Zahl der veröffentlichten Titel wächst, sinken die Auflagen. Das hat etwas von einer katastrophalen Entwicklung.
Bleiben wir einen Moment beim evangelischen Buch und bei unserer Kirche. Da geschieht Merkwürdiges: Während in kirchlichen Gremien und in leitenden Ämtern immer häufiger und nachdrücklicher davon geredet wird, daß auch in der Kirche nun eine bessere Ökonomie angesagt sei, nimmt ökonomisches Denken und Vorgehen eher ab. Da ist vom „Unternehmen Kirche” die Rede, und wenn man genau hinsieht, unternehmen kirchliche Behörden und Ämter noch immer wenig im unternehmerischen Sinne. Sie verwalten nach wie vor, inzwischen verwalten sie mehr Mangel, aber sie verwalten ihn, statt ihn aufzuheben durch besseres Wirtschaften. Das Verwalten allerdings geht heute, und das scheint mir in den Kirchen besonders krass um sich zu greifen, einher mit einer sprachlichen Kraftmeierei in Ökonomie. Offenbar ist es leichter, von Marketing zu reden und alles mögliche darunter zu verstehen, als marktgerecht zu wirtschaften. Wirtschaftliche Inkompetenz wird häufig mit einem großspurigen Einsatz sprachlicher Versatzstücke aus dem Wirtschaftsteil der Zeitung übertüncht.
Wirtschaften ist keine Angelegenheit der Worte. Wirtschaften muß gelernt und verstanden sein. Die Kirche hat gute Wirtschafter.
Einer der klassischen Zweige wirtschaftlicher Arbeit in Kirche, Mission und Diakonie ist der evangelische Buchhandel. Da stimmen, was das angeht, Reden und Handeln – Handeln im doppelten Wortsinn – eher überein. Buchhändler und Verleger sind Kaufleute; sie haben eine entsprechende Ausbildung. Sie machen ihre Arbeit in der Regel ohne Zuschüsse. Wo sie dann einmal einen kleinen Erfolg haben, würden manche ihnen den am liebsten wegnehmen, das „Geschäft” also selber machen, in der Annahme, eine goldene Nase könne man sich schließlich selber verdienen. Dafür brauche man den christlichen Buchhändler, den christlichen Verleger nicht. So wirken Kirchen mitunter daran mit, daß aus manchem Mißverständnis heraus gesunde Betriebe krank werden oder kranke krank bleiben.
Deshalb sei an einem solchen Tage auch an diese selbstgemachten Gefahren erinnert, die der Verbreitung des gedruckten Wortes drohen. Was ist zu tun? Liebe Gemeinden, laßt den Buchhändler auch einmal etwas verdienen. Ihr braucht ihn noch. Dieser Berufsstand wandelt sich. Vielleicht muß er künftig die meistverkauften Bücher einer Saison gar nicht mehr führen. Heute kommt kaum ein Buchhändler ohne diese Titel aus. Sie liegen jedoch ohnehin in jeder Boulevardbuchhandlung als Stapelware, außerdem sind sie durch das Internet in kürzester Zeit für jede und jeden frei Haus zu beziehen. Bücher, die man vor dem Kauf nicht sehen muß. Man kauft sie, weil andere sie kaufen und nicht, weil sie sind wie sie sind – diese Bücher muß ein Buchhändler künftig vielleicht gar nicht mehr führen. Wegen dieser Artikel werden möglicherweise immer weniger Leute in eine Buchhandlung gehen. Allerdings gibt es neue Chancen für diesen sich wandelnden Beruf des Buchhändlers: Künftig kann er sich als Entdecker profilieren. Titel, Autoren, Verlage, die noch nicht jeder kennt, kann er präsentieren. Er kann seine Kunden richtig überraschen. Wir wünschen uns solche Buchhändler, bei denen wir etwas entdecken können, was noch nicht alle kennen. Das wünschen wir uns als Leser und – erlauben Sie das einem Verleger zu sagen – das wünschen wir uns als kleine Verleger. Und in dieser Buchhandlung geht solche Utopie heute schon in Erfüllung. Sehn sie mal nach.
Wolfgang Fietkau
Aus dem Grußwort im Namen der Vereinigung Evangelischer Buchhändler und Verleger (VEB). Zur Feier des 125jährigen Bestehens der Buchhandlung Bethel in Bielefeld. 17. September 1999.
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